Die Reifenbezeichnungen im Fahrzeugschein des Motorrads

von Thomas Ihle   
Fahrzeugschein mit Reifengrößen

Im Kfz-Schein eines Motorrads finden sich bei den Angaben zur Bereifung bestimmte Codezahlen und Buchstaben, die spätestens beim Kauf neuer Reifen beachtet werden müssen. Was bedeuten diese Kürzel?

Als Einstieg nehmen wir zum Beispiel:
 
Vorderrad: 3.25 H 19
Hinterrad: 4.10 H 18

Am besten fangen wir hinten an...

  • Die letzte Ziffer zeigt den Reifendurchmesser von Wulst zu Wulst in Zoll — also 19 bzw. 18 multipliziert mit 2,54; dann hat man Zentimeter (1 Zoll = 2,54 cm).
  • H (siehe weiter unten) bedeutet: Geschwindigkeitsklasse bis 210 km/h.
  • 3.25 bzw. 4.10 bedeutet die Reifenbreite in Zoll - also mal 2,54; dann hat man Zentimeter.

Wenn sonst nichts dabei steht handelt es sich um einen Diagonalreifen mit alter Bezeichnung. Diagonal heißt: Der Reifenunterbau (Karkasse) verläuft diagonal zur Fahrtrichtung. Dieser Bauart ist nur für schmale Felgen bis 2,50 Zoll geeignet. Vorteile des Diagonalreifens sind:
— lenkneutral und zielgenau,
— sehr hohe Bauweise möglich, da die Reifenflanken seitenstabil sind (z.B. für Enduro).
Nachteile sind:
— starkes Umfangwachstum durch Fliehkräfte,
— hohe Walkarbeit, also auch Rollwiderstand; daher heizt sich der Reifen auf.
 

Eine andere, etwas neuere Schreibweise:

Vorderrad: 110/80 V 18, Hinterrad: 130/80 V 17

  • Letzte Ziffer wie gehabt Reifendurchmesser in Zoll (18 bzw. 17)
  • V = über 210 km/h zugelassen
  • 110 bzw. 130 bezeichnet die Reifenbreite in Millimeter, also 11 bzw. 13 cm.
  • /80 bedeutet: Die Reifenhöhe auf der Felge beträgt 80 % der Reifenbreite

Wenn sonst nichts dabei steht, handelt es sich wiederum um einen Diagonalreifen - nur mit neuer Bezeichnung.
Nach der StVZO ist Mischbereifung nicht zulässig - man darf also hinten keinen Diagonalreifen aufziehen, wenn vorne ein Radialreifen drauf ist und umgekehrt. Trotzdem überschneiden sich die klassischen Diagonal- und Radialreifen zum Teil in ihrem Unterbau (Karkasse).
 

Noch ein paar Beispiele...

Hinterrad: 150/70 16 67 H

  • H = Geschwindigkeitsklasse bis 210 km/h
  • 67 = Tragfähigkeit (siehe weiter unten): 307 kg. Ein Motorradreifen mit 307 kg Tragfähigkeit wird speziell für schwere Tourer oder Cruiser gebaut.
  • Alles andere wie oben.


Hinterrad: 150/80 B 16

  • Reifendurchmesser 16 Zoll;
  • B bedeutet Belt (Gürtel).

Also handelt es sich hierbei um einen Diagonalreifen mit Gürtel. Der Diagonalreifen mit Gürtel ist zunächst aufgebaut wie ein normaler Diagonalreifen, jedoch mit Laufstreifengürtel verstärkt. Das macht den Reifen schwer aber auch von der Zuladung her belastbarer.


Hinterrad: 150/70 VB 17 V 230

  • alles wie oben, jedoch Geschwindigkeit bis 230 km/h.

Vorderrad: 120/70 ZR 17, Hinterrad: 180/55 ZR 17

  • Reifendurchmesser 17 Zoll
  • R bedeutet »Radial«. Also es handelt sich hierbei um einen Radialreifen.
  • Z* ist die Geschwindigkeit, also über 240 km/h zugelassen
  • 120 bzw. 180 ist die Reifenbreite in Millimeter, also 12 bzw. 18 cm (beinahe schon ein Autoreifen)
  • /70 bzw. /55 bedeutet wiederum Reifenhöhe/Reifenbreite von 70 bzw. 55 %.

Das ist ein klassischer Niederquerschnittsreifen. Diese gibt es in der Ausfertigung 70 — 65 — 60 — 55 — 50 (%). Bei dieser neuen Bauweise verläuft der Reifenunterbau (Karkasse) nicht diagonal, sondern im Winkel von 90 Grad zur Fahrtrichtung. Erst durch breite Felgen wurde das Niederquerschnittsformat möglich.
— Vorteil: hoher Grip (Haftung) durch mehr Auflagefläche und weichere Gummimischung
— Nachteil: neigt zum Lenkerflattern

Gerade die modernen Sportmotorräder brauchen einen Reifen, der möglichst große Haftung aufweist, gleichzeitig nicht schnell verschleißt und trotzdem spurstabil ist (der Radialreifen ist konstruktionsbedingt nicht so spurstabil wie der Diagonalreifen). Der selbe Reifen kann auf verschiedenen Motorrädern zu völlig unterschiedlichem Fahrverhalten führen. Daher sind die Reifenfreigaben sehr oft typgebunden.
 

Weitere Kürzel am Reifen:


TL
= Tubeless, Schlauchlosreifen
TT = Tube Typ, mit Schlauch
DOT 1501 = (Department of Transportation) bezeichnet die Produktionswoche - in der 15. Woche 2001 wurde der Reifen hergestellt. Ab dem Jahr 2000 ist die DOT vierstellig, davor 3-stellig. Beispiel:
DOT 429 = 42. Woche 1999.
 
V 230 = Geschwindigkeit nur bis 230 km/h zugelassen
 
(73 W) —die Klammer gehört dazu—: 73 ist die Tragfähigkeit und »W« bedeutet: zulässige Geschwindigkeit liegt über 270 km/h.
 
M/C = Motorrad- und Rollerreifen
 
>>> (Pfeil) bedeutet: Laufrichtung - also in diese Richtung muss der Reifen abrollen.

Buchstabenkombination für zulässige Geschwindigkeit:


S = 180 km/h
T = 190 km/h
H = 210 km/h
V = 240 km/h
Z = über 240 km/h
W = über 270 km/h

Daneben gibt es noch Spezialkennungen, die ebenfalls im Fahrzeugschein eingetragen werden (z.B. Kennung »J« für die Reifen der Suzuki Hayabusa).

Tragfähigkeitsziffern (Auszug): 


50 = 190 kg   56 = 224 kg   62 = 265 kg   68 = 315 kg
51 = 195 kg   57 = 230 kg   63 = 272 kg   69 = 325 kg
52 = 200 kg   58 = 236 kg   64 = 280 kg   70 = 335 kg
53 = 206 kg   59 = 243 kg   65 = 290 kg   71 = 345 kg
54 = 212 kg   60 = 250 kg   66 = 300 kg   72 = 355 kg
55 = 218 kg   61 = 257 kg   67 = 307 kg   73 = 365 kg

Reifen-Empfehlungen:

Sehr gute Radialreifen gibt es zum Beispiel von Bridgestone (mittlerweile der Marktführer und Serienausrüster für fast alle Motorradhersteller).
Typ BT 010/011/012: für Supersportler.
Typ BT 54/56/57: für Tourensportler.
Typ BT 20: für schwere Tourensportler.

Empfehlung für Enduro: Michelin T 66 und Pirelli MT 80.

Der momentan beste Sportreifen in Radialbauweise ist wahrscheinlich der Michelin Pilot Sport. Er wird als Serienausrüstung auf Motorräder montiert wie z.B. MV Agusta, Honda CBR 600, Suzuki GSX 750, Ducati ST 4S, 996 und BMW F 650 CS. Für Rennfreaks gibt es den Michelin auch als Pilot Race.


Neue Reifen sollte man einfahren!

Die Oberfläche eines fabrikneuen Reifens ist durch die Vulkanisation nicht griffig. Die »Backform« muss bei der Produktion wie beim Kuchenbacken eingefettet werden. Erkennbar an der glänzenden Oberfläche - dadurch hat der Reifen noch keine normale Haftung. Während des Einfahrens (ca. 200 km) sollte man nur langsam die Schräglage steigern. Tipp: Abkürzen lässt sich die Sache durch die Behandlung mit Schmirgelpapier.

Übrigens, noch ein Wort zur Ventilkappe: Niemals ohne fahren! Die Ventilkappe verhindert, dass es bei hohem Tempo zu Druckverlust kommt — die extreme Fliehkraft bei der Radumdrehung kann nämlich das Ventil öffnen. Und: Die Reifenhersteller markieren mit einem gelben/roten Punkt die Stelle am Reifen, die am leichtesten ist (Serienstreuung). Dort sollte nach der Montage das Ventil sitzen. Auf diese Weise wird das Mindergewicht durch das Ventil kompensiert.



 
  Über den Autor

 
  Thomas Ihle  

Thomas Ihle

seit 1985 Fahrlehrer,
davor Polizeibeamter
(u.a. Unfallermittler in Stuttgart),
 
lebt und arbeitet in Krefeld.
Spezialgebiet: Motorradphysik

   
    E-Mail    Homepage:  www.thomas-ihle.de 
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