Der Prüfer kommt — was nun?

Fahrprüfer

Wer wissen möchte, was »so ein Fahrprüfer« verlangt, der denkt wohl mehr an das Fahren im engeren Sinn als an zwischenmenschliche Beziehungen.

Teil I dieses Artikels versucht daher, das Thema Fahrprüfung aus einem eher ungewöhnlichen Blickwinkel zu beleuchten.

Bei einer Fahrprüfung sind — außer dem Prüfungskandidaten — noch vier weitere Beteiligte anwesend:

  • der Prüfer
  • der Fahrlehrer
  • das Fahrzeug
  • die anderen Verkehrsteilnehmer

Aus Sicht des Fahrschülers am meisten gefürchtet ist offenbar der Prüfer. Warum? Weil er oft der Einzige aus dieser Aufzählung ist, den man noch nicht kennt — außer vom Hörensagen. Man vermag ihn im Voraus nicht richtig einzuschätzen, er ist der diffuse »Große Unbekannte« in der Rechnung.

Vielleicht kann dieser Artikel denjenigen FAHRTIPPS-Lesern helfen, die demnächst Prüfung haben, ihrem Prüfer (oder ihrer Prüferin!) etwas entkrampfter zu begegnen. Mein Vater, der auch mein Fahrlehrer war, sagte mir damals vorsorglich: »Stell dir den Prüfer einfach in Unterhosen vor«. Nur, mein Problem mit dieser Hilfestellung war unter anderem:

Ich konnte mir diese Person noch nicht einmal normal angezogen vorstellen!

 

Nicht allein das Fahren zählt!

Die meisten Menschen reagieren auf unbekannte Personen unterschwellig zuerst mit Vorsicht, Ablehnung, Angst oder gar beginnender Aggressivität. Dieses Verhalten ist in der Entwicklungsgeschichte des Menschen verankert. Im Fall einer Prüfung verhält es sich sogar noch extremer: Der Kandidat (Fahrschüler) weiß, dass der »Große Unbekannte« (Prüfer) Entscheidungsmacht besitzt, und fühlt sich bedroht oder ausgeliefert (»wie will der beurteilen ob ich fahren kann«). Dadurch entstehen noch mehr Angst und andere negative Gefühle. Viele Kandidaten werden beim Gedanken an den Prüfer aggressiv, wütend, stellen ihn sich sogar als Feind vor. Dies alles sind evolutionsbedingte »Streiche«, die uns unser Unterbewusstsein spielt. Wir verbinden die Prüfungsangst zwar landläufig mit der Prüfung insgesamt, aber...

Prüfungsangst ist die Angst vor dem Prüfer!

(Beweis: Man stelle sich vor, als Prüfer käme ein guter persönlicher Freund. Hätte man dann noch große Angst davor, durchzufallen?)

Mit diesen schlechten Bauch-Gefühlen ist die Beziehung zwischen Kandidat und Prüfer dann auch oft belastet. Mit einer Tatsache muss man sich jedoch arrangieren: Auch wenn man das Prüfungssystem als noch so ungerecht empfindet, es wird zumindest in naher Zukunft keine Alternative geben. Deshalb nützt es nichts, über den Sinn oder Unsinn von Fahrprüfungen zu diskutieren. Als Fahrschüler kann man aber Einiges tun, um die Situation wenigstens so erträglich wie möglich zu gestalten. Denn nicht nur das Fahren zählt...

...sondern die Prüfung beginnt im Grunde schon mit wichtigen, zwischenmenschlichen Beziehungen: Wie bei jeder Kontaktaufnahme sind auch zu Beginn der Fahrprüfung die ersten Sekunden des Kennenlernens ziemlich wichtig. Am besten, man konzentriert sich bereits auf die Begrüßung und versucht, unvoreingenommen zu sein (einfach denken: »Aha, da isser. Sieht auch nicht schlimmer aus als unser Nachbar...«). Freundlichkeit kann hier kleine Wunder bewirken. Jeder Mensch spürt Ablehnung, und selbst wenn der Prüfer weiß, welchen Eindruck er im Allgemeinen auf die Schüler ausübt, so wird er es doch zu schätzen wissen, nicht schon wieder in ein verkrampftes Gesicht zu schauen - also LÄCHELN ! Man stellt sich außerdem kurz mit Namen vor, und reicht dem Prüfer nach Möglichkeit bei der Vorstellung die Hand (aber keine Turnübungen! Manchmal geht das im Auto nicht mehr ;-)

Falsch wäre, den Prüfer zu ignorieren!

Hierbei sind auch die Fahrlehrer als Entwicklungshelfer in Sachen Umgangsformen gefragt, da leider viele Jugendliche den Knigge für einen Schokoriegel halten. Was der Tanzschule recht ist, sollte dem Fahrlehrer billig sein...

In den ersten Sekunden des Aufeinandertreffens hat man es in der Hand, eine klitzekleine persönliche Beziehung herzustellen. Dem Prüfer fällt es dann später wesentlich schwerer, eine negative Entscheidung zu treffen, falls das Ergebnis auf der Kippe steht — denn auch er ist ein Mensch mit funktionierendem Unterbewusstsein!

Überlicherweise sagt der Prüfer vor Beginn der Fahrt, wie er es denn »gerne hätte« (allgemeine Fahrtrichtung, vielleicht sogar ein paar Hinweise zum Fahrstil oder zur passenden Geschwindigkeit). Dabei sollte man immer noch aufmerksam zuhören und nicht bereits am Spiegel herumfummeln... Zum Herstellen einer guten Atmosphäre kann übrigens auch beitragen, dass man sich eine Frage zurechtlegt, die man dem Prüfer vor Antritt der Fahrt stellen möchte. Beispielsweise »Kann ich zurückfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe?« Einer meiner Fahrschüler hat gefragt, ob er das Radio leise mitlaufen lassen dürfe. Siehe da, er durfte!

Möglicherweise kommt jetzt der Einwand, dass der Prüfer sowieso nur Gast im Fahrschulfahrzeug ist und außer seiner Prüfungstätigkeit "nichts zu melden" hat. Wer aber so unsensibel vorgeht und das Knüpfen eines positiven Kontakts als "Einschleimen" abtut, besitzt wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen und wird diesen Artikel wahrscheinlich nicht zu seinem Vorteil nutzen können. Viel Erfolg beim nächsten Bewerbungsgespräch!

Spätestens vor Beginn der Prüfung muss übrigens das Handy ausgestellt werden, sonst sind peinliche Zwischenfälle programmiert, die bis zum Durchfallen führen können (»...was? Nein, ich kann jetzt nicht... habe gerade Prüfung... gehabt...«)

Während der Fahrt verschwindet die Prüfer-Angst zusehends, denn man lernt den Mensch Prüfer etwas besser kennen. Übrigens, viele Fahrlehrer unterhalten sich während der Fahrt mit dem Sachverständigen. Nicht, weil es so viele interessante Neuigkeiten auszutauschen gäbe, sondern eher zur Beruhigung des Kandidaten (lockere Atmosphäre). Wen das mehr stört als dass es ihm hilft, der kann das auch ruhig sagen ("Entschuldigung, ich werde durch die Unterhaltung ein wenig abgelenkt"). Allerdings dürfte es dann schlagartig richtig still im Auto werden — auch nicht ideal. Man sollte sich übrigens aus der Fahrlehrer-Prüfer-Unterhaltung weitgehend heraushalten und sich tatsächlich auf das Fahren konzentrieren!

Was viele nicht wissen: Man kann den Prüfer selbstverständlich um eine kurze Unterbrechung der Fahrt an einer geeigneten Stelle bitten, wenn die Fahrtüchtigkeit für einen Moment »weg« ist (weil vielleicht das Bein zittert oder der Schweiß in die Augen rinnt).

Ein ganz wichtiges Thema:

Die Schlussbesprechung der Prüfungsfahrt

Unter uns: Nicht jedes Urteil steht endgültig fest, bevor es verkündet wird. Hin und wieder ringt auch ein Prüfer mit der Entscheidung! Deshalb sollte man nicht vorschnell davon ausgehen, man sei »sowieso durchgefallen«, oder gar eine handfeste Diskussion mit dem Prüfer vom Zaum brechen. In vielen Fällen hat es geholfen, wenn der Fahrschüler in der Unterhaltung zu verstehen gab, welche kritische Situationen er selbst bemerkt hat. Man muss dem Prüfer zwar nicht das Wort aus dem Mund nehmen oder vor Reue zergehen, aber einige typische Fehler gilt es zu vermeiden.

schlecht:
»Aber die Ampel war doch noch Gelb!!!«

besser:
»Hinterher kam es mir auch ziemlich knapp vor«


ganz schlecht:
»Ich war so nervös. Können Sie nicht ein Auge zudrücken?«

besser:
»Ich habe mehr mit mir selbst gekämpft als mit dem Verkehr«
 
(man vermeide das Wehklagen "ach, ich war ja so nervös" - auch wenn's stimmt: Das quillt jedem Prüfer zu den Ohren heraus. "Ein Auge zudrücken" lässt sich auch niemand gern aufdrängen, sowas riecht nach Schiebung!)


völlig daneben, trotzdem schon erlebt:
»Das können Sie gar nicht beurteilen«
 
(nach einem herben Spruch wie diesem kann man unmöglich bestehen!)

 

Zu guter Letzt noch ein Tipp, falls es mit dem Führerschein nicht im ersten Versuch klappen sollte: Verabschieden Sie sich trotzdem so freundlich es, trotz der Enttäuschung, noch geht (»vielleicht sehen wir uns beim nächsten Mal wieder und dann klappt's bestimmt besser«). Das gibt allen Beteiligten ein angenehmeres Gefühl, wenn man sich in dieser Konstellation tatsächlich noch einmal trifft...

Teil II dieses Artikels beschäftigt sich mit der richtigen Geschwindigkeit und dem Fahrstil.

 

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